Termin online buchen Gemäß Ihren Cookie-Einstellungen werden Inhalte von diesem Anbieter 'TIMIFY' nicht angezeigt. Klicken Sie hier, wenn Sie die Inhalte aktivieren möchten.

Bericht BNN über PFAS

PFAS und kein Ende

Vom Alltagsnutzen der Chemikalien und dem Einfluss der Lobbyisten – auch in Mittelbaden

Von Patricia Klatt

Bühl/Ottersweier. Es herrscht reger Betrieb bei Sport Meier in Ottersweier: Die Skifahrer nutzen den Schnee und brauchen gut gewachste Ski für Abfahrt und Langlauf. Und während ein Beitrag der Fernsehsendung Panorama die Folgen der jahrelangen Verwendung von Skiwachsen, die per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) enthalten, aufgreift, bekommen die Kunden in dem lokalen Fachgeschäft ihre Ski PFAS-frei gewachst.

Denn schon seit mehr als vier Jahren werden die Ski und Snowboards dort ohne diese Chemikalien behandelt. „Das hat sich bewährt“, bestätigt Inhaber Sebastian Pfeifer. Die fluorfreien Wachse funktionierten problemlos. „Die Kunden fragen aber nicht explizit danach. Die möchten einfach, dass der Ski gut läuft“, berichtet Pfeifer. Wenn das Wachsen umweltfreundlich mit nachhaltigen Produkten funktioniere, könne man das ja nur unterstützen.

Auf dem Weg zu einem PFAS-freien Skiwachs leisteten die Hersteller lange Widerstand. Erst seit zwei Jahren schreiben die Skiverbände vor, dass bei Wettbewerben ausschließlich fluorfrei gewachst werden darf. Verstöße werden mit Strafen und Disqualifikationen geahndet. Im Freizeitsport sind fluorhaltige Wachse (noch) erlaubt, aber „eben unnötig“, wie Pfeifer sagt. Die Stiftung Warentest bestätigte diese Ansicht in ihren Untersuchungen im November vergangenen Jahres.

PFAS-freie Alternativen gibt es mittlerweile in vielen Bereichen – von Kleidung über Fahrradöle bis hin zu Kochund Backutensilien. Selbst für die Schuhimprägnierung werden diese Chemikalien nicht mehr benötigt. „

Das Trinkwasser ist gefährdet, die Gesundheit der Menschen auch.

Markus Benkeser

PFAS-Beauftragter von Bühl

„Unser Ziel ist es, unsere Lieferkette PFAS-frei zu gestalten. Gemeinsam mit unseren Lieferanten arbeiten wir daher schon seit Längerem an wirksamen Alternativen zu diesen Stoffen“, erklärt beispielsweise Christian Hinkel von der Pressestelle der Deichmann-Gruppe auf Nachfrage. „Unser Sortiment enthält in- zwischen keinerlei Imprägniermittel mit diesen Stoffen mehr.“

PFAS werden weltweit in verschiedenen Produkten genutzt. Sie belasten Gesundheit und Umwelt. In Mittelbaden kommt ein zusätzliches lokales Problem hinzu. Zwischen Rastatt und Bühl sind rund 1.105 Hektar Boden mit PFAS verunreinigt, die über damit belastete Papierschlamm-Komposte auf die Felder kamen. Die Stoffe sickern nach wie vor in das Grundwasser, das inzwischen auf rund 58 Quadratkilometern belastet ist.

Die bisherigen Folgekosten der umfangreichen Gegenmaßnahmen liegen bei rund 40 Millionen Euro. Die juristische Aufarbeitung dauert an. Papierfabriken sind bislang davon nicht betroffen. Die Fragen der PFAS-Region Mittelbaden nach den Verantwortlichen und den Verflechtungen bleiben also bis heute offen.

Der Panorama-Beitrag zeigt hingegen, wie eng Politik und Industrie miteinander verflochten sind. „In Brüssel tobt die größte Lobbyschlacht in der Geschichte der Europäischen Union“, heißt es dort. Denn PFAS sollen wegen ihrer Gefährlichkeit europaweit verboten werden. Hunderte Verbände und Unternehmen kämpfen erbittert gegen das Verbot, Politiker folgen oft deren Argumenten. Auch Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole HoffmeisterKraut (CDU) hat sich gegen das eingereichte PFAS-Verbot in dieser Form positioniert und zusammen mit ihrem bayerischen Kollegen Hubert Aiwanger (Freie Wähler) einen „Brandbrief“ nach Brüssel geschrieben. Beide warnen, dass ein umfassendes PFAS-Verbot Europas technologische Souveränität gefährden könnte. An der grundsätzlichen Haltung habe sich auch nach den neuen aktuellen Recherchen nichts geändert, bestätigte eine Sprecherin des Landeswirtschaftsministeriums auf Nachfrage.

Markus Benkeser, der PFAS-Beauftragte von Bühl, widerspricht: „Ich denke, der Wirtschaft schadet es viel mehr, wenn die mehr als 12.000 PFAS nicht beschränkt werden. Denn die Sanierungen von Boden und Wasser gehen in die Milliarden, das Trinkwasser ist gefährdet und die Gesundheit der Menschen auch.“

Er ergänzt: „Unsere Wirtschaftsministerin ist gerne eingeladen, sich vor Ort ein Bild von den Folgen für unsere Firmen mit steigenden Baukosten oder den steigenden Kosten für Produktion zu machen. PFAS führen langfristig zu Wettbewerbsnachteilen für unsere Wirtschaft und zur Verschlechterung der Lebensqualität!“